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LIEBE GEMEINDE,
zur Weihnachtskrippe gehört neben Hirten und Weisen, Maria mit Kind und Engel auch Joseph. Er führt ein recht unbemerktes theologisches Dasein.
Bei Matthäus spielt er die größte Rolle: ihm erscheint im Traum dreimal ein Engel: um ihn zum Bleiben bei der schwangeren Maria zu bewegen, weil das Kind vom Heiligen Geist sei; um ihn mit seiner Familie nach Ägypten auf die Flucht zu schicken, damit die Häscher des Herodes sie nicht finden; und um sie nach Herodes Tod wieder zurückzurufen.

Bei Lukas weiß Maria bei der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel von keinem Manne. In der Erzählung von Josefs Reise nach Bethlehem wird von seiner Frau Maria, seinem „vertrauten Weibe“, nur kurz konstatiert, dass sie schwanger war, bevor dann die Geburt erwähnt wird, in der Josef immerhin benannt wird, wohingegen von Maria fast einfühlsam berichtet wird, dass sie „all diese Worte“ in ihrem Herzen bewegte. In der Geschichte vom 12jährigen Jesus im Tempel werden anfangs „seine Eltern“ erwähnt; als sie ihn nach langer Suche dann endlich finden, ist es wiederum nur seine Mutter, die Jesus nach den Gründen seines Verschwindens fragt, woraufhin Jesus fast brüskierend antwortet: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“

Bei Markus lesen wir, dass Jesus immerhin zunächst den Beruf seines Vaters (Josef), Zimmermann, erlernt, was für einen ältesten Sohn allerdings auch ziemlich selbstverständlich war. Und so kann man sagen, dass die Rolle des Josef in der Frömmigkeit sich im Lied „Josef, lieber Josef mein, hilf mir wiegen mein Kindelein“ erschöpft.


Durch die Jungfrauengeburt Jesu kam Josef als leiblicher Vater nicht in Betracht, so dass er in Krippendarstellungen häufig als alter Mann gezeichnet wurde, um dies augenfällig zu unterstreichen. Überhaupt wurde Josef eher selten gemalt, während Marienbilder gar nicht zu zählen sind. Bis nach Udine im Friaul musste ich reisen, um dort im Dom dieses seltene Bild des Josef mit seinem Kind zu finden.

Über die theologische Aussage der Jungfrauengeburt habe ich schon oft gesprochen. Es geht weniger um einen medizinischen Tatbestand als vielmehr darum, Jesus als wirklichen Neuanfang Gottes zu sehen, mit dem Gott selbst als Mensch erkennbar wird. Darum wird Jesus im Neuen Testament häufig „Sohn Gottes“ genannt. Ein anderer wichtiger Hoheitstitel Jesu ist „Sohn Davids“. Als Nachkomme des erfolgreichsten jüdischen Königs wird Jesus damit als Hoffnungsträger gekennzeichnet, der dem Volk wieder eine heilvolle Zeit bringen wird. Ein Nachkomme Davids allerdings war nur Josef, nicht aber Maria. Will man also an diesem biblischbezeugten Titel Jesu festhalten, darf man die leibliche Vaterschaft Josefs nicht verneinen. Es ist manchmal schwierig, wenn man theologische Wahrheiten und historische Fakten auf einer Ebene sieht und in Einklang zu bringen versucht.

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass gerade die religiöse Erziehung des Jesus von Nazareth wesentlich von seinem Vater Josef geprägt wurde. Insofern ist die tatsächliche Bedeutung des Josef für Jesus und damit für den christlichen Glauben durchaus hoch einzuschätzen, auch wenn das an keiner Bibelstelle direkt belegt werden kann. Dass Vaterschaft über die biologische Ebene hinaus bedeutsam, vielleicht sogar wichtiger ist als diese, dürfte auch damals so gewesen sein. Nicht nur zu Weihnachten sind Väter wichtig. Sie können mehr, als nur das Kindlein wiegen. Sie sind auch nicht beleidigt, wenn in der Heiligen Familie der Mann es ist, der eher im Hintergrund bleibt und die „große Bühne“ der Frau überlasst. (Was in einzelnen Familien auch heute anzutreffen ist.) Dafür werden dann in der Erzählung von der Verwerfung Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth nur seine Brüder namentlich erwähnt (Jakobus, Joses, Judas und Simon), während seine Schwestern namenlos bleiben. Das aber hat nicht Jesus zu verantworten, der für seine Zeit und Kultur ungewöhnlich wertschätzend mit Frauen umgegangen ist. Von welchem „seiner Väter“ er das gelernt hat, können wir offenlassen.

Ihr Pfarrer Gabriel Beyer

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